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Ob Daisy Duck tatsächlich 80 wird, ist unter Donaldisten höchst umstritten. War es wirklich Daisy, die am 9. Januar 1937 ihren ersten öffentlichen Auftritt feierte? Im Film „Don Donald“ stand sie nackt auf dem Balkon ihrer Hacienda „Donna Duck“. Sie trug nichts als ein Halstuch, einen Hut und einen Fächer und bemühte sich, den Liebhaber mit ihren Bürzelschwüngen zu verführen. Donald amüsierte sich darüber. Donna wurde wütend und prügelte auf ihn ein. Besänftigen ließ sie sich erst durch eine Fahrt im offenen roten Wagen durch den Wüstenwind von Mexiko. Natürlich blieb das Auto liegen. Donna Daisy schwang sich auf ein Einrad und fuhr ihrer Wege.
Ein Jahr später, 1938, tauchte sie in einem Filmscript von Carl Barks, das Disney nie verwirklicht hat, unter dem Namen Daisy als Fata Morgana mit einer gewaltigen Schleife in den Daunenhaaren auf. In „Mr. Duck Steps Out“ von 1940 macht sich Donald vor dem Spiegel fein für eine Dame namens Daisy. 1940 wird sie auch im Comic für die Sonntagszeitung eingeführt, von Al Taliaferro. Leichtsinnigerweise ließ der Zeichner sie danach in einem seiner Strips auf Donna treffen. War es eine weibliche Vision wie später in der Fernsehwerbung, wo die Hausfrau sich wegen des falschen Waschmittels verdoppelte und ins Gewissen redete? Kam Daisy doch erst 1938 oder 1940 auf die Welt? Und wenn sie da schon da war und mit Donald ausging, hätte sie nicht 21 Jahre alt sein müssen, mindestens?
Wie dem auch sei: Daisy sieht heute deutlich jünger aus als 80. Wo sie lebt, in Entenhausen, gibt es keine schönere und stärkere Figur als sie. Carl Barks, der sie erschaffen hat, mag alle Frauen, die er kannte, in ihrem Charakter und ihrer Gestalt vereint haben. Von Doris Day, der Traumfrau aller Amerikaner in den Kriegs- und Nachkriegsjahren, über sämtliche Prinzessinnen und Hexen in den Filmen seines Arbeitgebers, bis hin zu den Damen seiner Nachbarschaft und seiner eigenen Frau daheim.
Wieso heißt Daisy eigentlich Duck?
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In „Donald’s Diary“ von 1954, einem Film für Männer, die sich vor modernen Frauen fürchten, liest Daisy ein Buch. Es trägt den Titel „How To Catch A Husband“. Daisy parfümiert sich mit geheimen Lockstoffen und klimpert mit den Wimpern. Donald lässt sich von ihr fangen. Er tut alles für sie: Stellt sich der Familie vor, verlobt sich mit ihr, bringt den Müll weg und wäscht ab. Am Ende ist er nicht mehr Donald Duck, sondern ein Zuchterpel mit einem Schlüsselloch im Rücken, eine Aufziehente. Dann erwacht Donald aus seinem bösen Traum.
![Daisy Duck zum 80.: Sie ist das ewig Weibliche schlechthin - WELT (1) Daisy Duck zum 80.: Sie ist das ewig Weibliche schlechthin - WELT (1)](https://i0.wp.com/img.welt.de/img/kultur/mobile160983150/3542502317-ci102l-w1024/Donald-liebt-Daisy.jpg)
Im selben Jahr begann Carl Barks mit seiner Comicserie „Daisy’s Diary“. Das Tagebuch, das Daisy führte wie so viele Mädchen, während Jungs schon immer lieber Comics lasen, handelte von Schönheitswettbewerben und vom Haushalt, aber auch vom Fahrschulunterricht und von Karriereplänen. In „A Sticky Situation“, ihrem Tagebucheintrag von 1960, zetert sie: „Männer sind überflüssig. Alles, was sie können, ist essen, meckern, Dreck machen, schlafen und harmlose Leute verprügeln. Wozu braucht man so was?“
Ja, so ist sie. Daisy lässt sich nur von Hausmäusen und Kakerlaken einschüchtern. Ihr aufbrausendes Temperament und ihre Wutanfälle machen sie zu einer Duck, wie sie bei Barks und anderen Disney-Zeichnern in den Büchern steht. Aber auch hier sind sich die Donaldisten uneins: Warum heißt sie Duck, wenn sie mit Donald seit inzwischen 63 Jahren lediglich verlobt ist? Weil, so steht es bei Don Rosa, dem Historiker der Entenhausener Geschichten, Daisy eine Schwester sein müsse von Donalds Schwager. Demnach wären sie Cousine und Cousin.
Warum immer wieder Gustav Gans?
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Ihre Beziehung ist auch so schon kompliziert genug, so anstrengend wie Daisy selbst. Jeder vergessene Geburtstag und jedes zu mickrige Geschenk lässt ihr den rosa Kragen platzen und die Handtasche ausrutschen. Sie stößt sich an Donalds arbeitsscheuem Naturell, sie mag sein kleines rotes Auto nicht. Aber sie schafft es mühelos, ihre Berufung (wohltätige Damenkränzchen) mit ihrer Familie (Dicky, Dacky und Ducky, ihre elternlosen Nichten) unter eine Haarschleife zu kriegen. Wenn sie sich mit Gustav einlässt, Donalds Vetter, der nun schon jahrzehntelang vergeblich um sie wirbt, wenn sie also dem widerlichen Glücksganter einmal den Vorzug gibt, dann nur, weil er mehr hermacht und um Donald zu erziehen.
Sie liebt Donald, ihren liederlichen, aber gutherzigen Erpel – aber eben nicht bedingungslos. Daisy ist eine eigenständige und selbstbewusste Frau. Das war sie eigentlich schon, als es diese Frau im öffentlichen Leben nur als Feministin oder Furie gab. Nicht jeder mag sie. Manche halten sie für zickig und berechnend, kaltherzig und selbstsüchtig. Aber sie wollte ja auch nie von aller Welt geliebt werden. Außer von Donald.
Oder vielleicht doch lieber von allen? In „Ausgebloggt“, einer Geschichte von 2012, führt Daisy ihre Tagebücher in sozialen Netzwerken wie FaceDuck fort. Donald trifft wieder einmal nicht den angemessenen Ton: „Ein Online-Tagebuch? Haha! Worüber willst du denn bitte schreiben? Haarschleifen?“ Um ihren fürchterlichen und gerechten Zorn zu mildern, schreibt er unermüdlich nette Kommentare zu ihren Rezepten, Ratschlägen und Randbemerkungen. Er ist der Einzige. Als wäre er der Einzige, der weiß, dass Daisy mehr als eine Ente ist – die tollste Frau der Welt und aller Zeiten ist sie, und vielleicht sogar das ewig Weibliche schlechthin.